Acht Jahre bevor eine mittlerweile 90-jährige Frau in ein Pflegeheim zog, hatte sie ihrer Tochter das elterliche Hausgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschenkt. Die Mutter sollte aber bis zu ihrem Tod in dem Haus wohnen bleiben können (lebenslanges Wohnrecht, im Grundbuch eingetragen). Als feststand, dass die alte Dame das Pflegeheim nicht mehr verlassen kann, verzichtete sie auf das Wohnrecht, und die Tochter verkaufte das elterliche Hausgrundstück. Als die Rente der Mutter nicht mehr für die Heimkosten ausreichte und auch alle Ersparnisse aufgebraucht waren, verlangte der hinsichtlich der nicht gedeckten Kosten in Anspruch genommene Sozialhilfeträger, dass die alte Dame ihre Tochter auf rund 27.000 Euro als Ausgleich für die frühere Schenkung verklagen sollte. Sie weigerte sich, gegen ihre Tochter, die zudem mittlerweile ihre Betreuung übernommen hatte, gerichtlich vorzugehen.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gab der Heimbewohnerin Recht. Zur Begründung führten die Richter aus, dass ein pflegebedürftiger Heimbewohner einen Beschenkten nicht auf Rückgabe des Geschenks verklagen muss, wenn ihm eine Klage nicht zuzumuten ist. Eine unzumutbare Härte liegt vor, wenn der Beschenkte dem Heimbewohner besonders nahe steht. Der Bewohner eines Pflegewohnheims hat in aller Regel nur noch wenige soziale Kontakte außerhalb des Heims. Besuch erhält er meist nur von seinen Angehörigen oder von engen Freunden. Nicht selten macht er diesen – auch größere – Geschenke. Müsste er den Beschenkten verklagen, um das Geschenk zurückzuerhalten und es zur Bezahlung der Heimkosten einzusetzen, bestünde die Gefahr, dass der Heimbewohner und der Beschenkte sich entzweiten. Unter der Vereinsamung hätte vor allem der Pflegebedürftige zu leiden. Das will das Landespflegegesetz aber gerade verhindern.
Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.10.2008
Aktenzeichen: 16 A 1409/07
NWB 2008, 4282