Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung in der für die Rechts- und Wirtschaftspraxis bedeutsamen Frage zum Verhältnis von straf- und zivilrechtlicher Verantwortung des organschaftlichen Vertreters für die (Nicht-)Abführung von Steuer- und Sozialabgaben geändert. Ein organschaftlicher Vertreter (hier Vorstand einer AG), der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder – beim Geschäftsführer einer GmbH – § 64 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig.
Der Vorstand einer Gesellschaft verletzt auch seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, qualifizierten Fachmannes einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert, dessen Rat nach eigener Plausibilitätskontrolle folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.
Urteil des BGH vom 14.05.2007
Aktenzeichen: II ZR 48/06
BGHR 2007, 872
ZAP 1179, 2007