Einem jungen Mann wurde vom Betreiber eines Alten- und Pflegeheims bei einer erfolgreichen Absolvierung eines eineinhalbjährigen Praktikums ein Ausbildungsplatz für eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer in Aussicht gestellt. Die im „Praktikantenvertrag“ vorgesehene wöchentliche Arbeitszeit betrug 38,5 Stunden, die Vergütung 200 Euro monatlich. Für die Tätigkeitsbeschreibung wurde eine Stellenbeschreibung für Wohnbereichshelfer übernommen.
Das Arbeitsgericht Kiel gab der Klage auf eine höhere, angemessene Vergütung statt. Der junge Mann war wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert und hatte nach Weisung der examinierten Pflegekräfte die ihm übertragenen Tätigkeiten zu erbringen. Besondere Fähigkeiten, Tätigkeiten und Qualifikationen wurden vom Arbeitgeber nicht verlangt. Das Gericht stellte nicht nur ein auffallendes Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entlohnung, sondern auch ein Missverhältnis zwischen der eigentlichen Ausbildungsdauer zum Altenpflegehelfer und der Dauer des angeblichen Praktikums fest. Warum für eine 18-monatige Ausbildung zum Ausgleich etwaiger Defizite ein 17-monatiges Praktikum erforderlich sein sollte, war nicht nachvollziehbar. Letztlich war klar, dass der Heimbetreiber den jungen Mann nur als billige Arbeitskraft ausnutzen wollte. Der Praktikumsvertrag wurde daher als ganz normaler Arbeitsvertrag gewertet. Das Heim musste über 10.000 Euro an Vergütung nachbezahlen.
Urteil des ArbG Kiel vom 19.11.2008
Aktenzeichen: 4 Ca 1187d/08
AuR 2009, 104