Immer wieder versuchen sich Anwohner gegen das morgendliche Glockenläuten nahe gelegener Kirchen juristisch zur Wehr zu setzen. Die Klagen haben jedoch äußerst selten Erfolg. So unterlag nun auch ein Anwohner mit seiner Klage auf Untersagung des täglichen, zweiminütigen Glockenläutens (Betläuten) zwischen 6 und 8 Uhr morgens aus dem Glockenturm einer evangelischen Kirchengemeinde. Der Anwohner brachte vor, er werde dadurch zu einer systematischen, stetigen Kenntnisnahme eines akustischen religiösen Zeichens gezwungen. Dies verletze seine grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit. Außerdem störe der Lärm der Glocken die Schlafqualität und damit seine Gesundheit.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart nahm eine Abwägung zwischen den Interessen des klagenden Anwohners und dem geschützten Grundrecht der ungestörten Religionsausübung vor, zu der auch das Glockengeläut gehört. Im Ergebnis überwog das Interesse der Allgemeinheit. In einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, hat der Einzelne kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich verschont zu bleiben. Dies gelte – so das Gericht – sowohl für das Glockenläuten als auch für die Verkündigung der muslimischen Botschaft durch den Muezzin-Ruf vom Minarett aus.
Urteil des VG Stuttgart vom 13.12.2010
Aktenzeichen: 11 K 1705/10
Pressemitteilung des VG Stuttgart