Kommt ein Fahrgast in einem Bus oder einer Straßenbahn während der Fahrt zu Sturz, kann nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass der Fahrgast schuldhaft seine grundsätzlich bestehende Pflicht zur sofortigen Suche eines festen Halts oder einer Sitzgelegenheit verletzt hat. Im Streitfall hat dies der Halter des Fahrzeugs zu beweisen. Dies gilt insbesondere bei atypischen Fahrbewegungen.
Eine solche nahm das Oberlandesgericht Naumburg bei einem Unfall in einer Straßenbahn an, bei dem der Straßenbahnfahrer die Straßenbahn innerhalb von 20 Fahrmetern auf mehr als 20 km/h beschleunigte und dann an einer fast rechtwinkligen Linkskurve wegen einer entgegenkommenden Straßenbahn eine Vollbremsung durchführte. Dadurch stürzte eine gerade zugestiegene ältere Frau und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Da ihr nicht nachzuweisen war, dass sie es versäumt hatte, alsbald nach dem Einsteigen festen Halt zu suchen, ging das Gericht von einer hundertprozentigen Haftung des Halters und des Fahrers der Straßenbahn aus.
Urteil des OLG Naumburg vom 09.06.2011
Aktenzeichen: 2 U 45/11
DAR 2012, 84
NZV 2012, 76