Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b BGB).
Das Oberlandesgericht Hamm stellt hierzu klar, dass auch bei Fehlen konkreter ehebedingter Nachteile ein nachehelicher Unterhalt für eine angemessene Übergangsfrist zugesprochen werden kann. Denn die Vorschrift des § 1578b BGB ist keinesfalls dahingehend zu verstehen, dass der nacheheliche Unterhalt bei Fehlen ehebedingter Nachteile von Anfang an entfällt oder nur für eine ganz kurze Frist bestehen soll. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität. Daher ist unabhängig vom Vorliegen ehebedingter Nachteile immer eine Billigkeitsabwägung vorzunehmen, in deren Rahmen insbesondere die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die jahrelange Haushaltsführung und vor allem die Dauer der Ehe zu berücksichtigen sind. In dem konkreten Fall sprach das Gericht einer voll arbeitsfähigen 50-jährigen Frau, die während der 25-jährigen Ehezeit die gemeinsamen Kinder versorgt und den Haushalt geführt hatte, trotz Fehlens ehebedingter Nachteile für die Dauer von drei Jahren einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann zu.
Urteil des OLG Hamm vom 11.07.2011
Aktenzeichen: II-8 UF 175/10
NJW-RR 2012, 197