Ausnahmen von der Gurtanlegepflicht sind nur in besonderen Fällen und unter strengen Anforderungen an den Nachweis ihrer Notwendigkeit zulässig. Dabei ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass auch gewichtigere subjektive Beeinträchtigungen dem Betroffenen bei der Abwägung des Risikos, das er bei Nichtanlegung des Sicherheitsgurts für sich und für andere Verkehrsteilnehmer eingeht, durchaus zuzumuten sein können. Physische oder psychische Beeinträchtigungen, die infolge des Gurtanlegens auftreten, rechtfertigen es angesichts des weit überwiegenden Nutzens der Sicherheitsgurte in der Regel nicht, den Insassen eines Kraftfahrzeugs von der Pflicht zum Gurtanlegen zu befreien.
Nach diesen Grundsätzen lehnte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg den Antrag eines Mannes ab, ihn von der Anschnallpflicht als Beifahrer zu befreien, weil er durch einen schweren Schlaganfall eine linksseitige Lähmung davongetragen habe und dadurch das Anschnallen für ihn unmöglich sei. Dies ließ das Gericht schon deshalb nicht gelten, da der Antragsteller auf dem Beifahrersitz vom jeweiligen Fahrer des Fahrzeugs angeschnallt werden kann.
Auch das Argument, der Verzicht auf den Sicherheitsgurt berühre in erster Linie den Bereich der Selbstgefährdung, überzeugte die Richter nicht, weil durch das Nichtanlegen erlittene Verletzungen auch die Allgemeinheit, z.B. durch Inanspruchnahme von Rettungsdiensten, medizinischen Versorgungseinrichtungen und Belastung der Sozialversicherungssysteme, belastet wird.
Beschluss des OVG Lüneburg vom 26.02.2015
Aktenzeichen: 12 LA 137/14
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