Ein 85-jähriger Autofahrer wollte nur seinen vor über 50 Jahren erworbenen Führerschein, der mittlerweile unansehnlich geworden war, gegen einen neuen Führerschein austauschen lassen. Dabei fiel der Mitarbeiterin der Führerscheinstelle auf, dass der Mann ein Hörgerät trug. Kurz darauf erhielt er Post von der Straßenverkehrsbehörde, die ihn zum Nachweis seiner Hörfähigkeit aufforderte. Die daraufhin vorgelegten ärztlichen Atteste, die dem Mann eine altersgemäße Hörfähigkeit bescheinigten, reichten dem Amt nicht aus. Es verlangte eine Untersuchung durch einen Gutachter. Als der Betroffene die Begutachtung verweigerte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) hielt diese Maßnahme für rechtswidrig. Die Anordnung, ein Gutachten zur Fahreignung vorzulegen, war zu Unrecht erfolgt. Denn es lagen keine Tatsachen vor, die klärungsbedürftige Zweifel an der Kraftfahreignung des betagten Autofahrers aufgeworfen hätten. Nach den einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung kommt eine Begutachtungsanordnung nur in Betracht, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Dies war hier nicht der Fall. Selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit wäre kein Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet macht. Auch hörgeminderte oder gar gehörlose Fahrer sind in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Dem Senior muss nun die beantragte neue Fahrerlaubnis ausgestellt werden.
Urteil des VG Neustadt (Weinstraße) vom 28.01.2016
Aktenzeichen: 3 L 4/16.NW
Pressemitteilung des VG Neustadt (Weinstraße)