Haben sich die Beteiligten an einem Verkehrsunfall in einem gerichtlichen Vergleich dahingehend geeinigt, dass mit den vereinbarten Zahlungen sämtliche übrigen materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche des bei dem Unfall Verletzten abgegolten sind, können nach der Abgeltungsklausel nur dann weitere Ansprüche geltend gemacht werden, wenn die Schäden im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht bekannt und nicht vorhersehbar gewesen sind.
Solche Folgen sind laut Landgericht Siegen dann nicht vorhersehbar, „wenn mit ihnen nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des (ursprünglichen) Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen. Nur wenn es sich um Verletzungsfolgen handelt, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, darf angenommen werden, dass diese vom Streit- und Entscheidungsgegenstand eines vorausgegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfasst sind und damit ihrer Geltendmachung die Rechtskraft nicht entgegensteht. Maßgebend ist, ob sich eine Verletzungsfolge nach objektiven Gesichtspunkten als derart naheliegend darstellte, dass sie schon damals bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden konnte.“
Im entschiedenen Fall, bei dem der Geschädigte erhebliche Hand- und Armverletzungen erlitten hatte und hierfür in dem Vergleich abgefunden wurde, waren die Unfallfolgen, auf die dieser nunmehr weitere Schmerzensgeldansprüche stützte, nämlich der Einsatz der Arthrodesenplatte und die Notwendigkeit der Versteifung des Handgelenks sowie die fortschreitende Arthrose durchaus vorhersehbar. Seine weitere Klage hatte keinen Erfolg.
Urteil des LG Siegen vom 28.08.2015
Aktenzeichen: 5 O 311/11
jurisPR-VerkR 2/2016 Anm. 6