Wird ein Kind während der Ehezeit geboren, geht die gesetzliche Vermutung des § 1592 Nr. 1 BGB davon aus, dass der Ehemann auch der leibliche Vater des Kindes ist (sogenannter rechtlicher Vater), bis nicht durch eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung das Gegenteil bewiesen ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters in jedem Fall eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater verhindert. Die Verfassungsrichter stellten hierzu folgende Grundsätze auf, die künftig von den Familiengerichten zu beachten sind:
Dem leiblichen Vater, der ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungverfahren in einem Zeitpunkt eingeleitet hat, zu dem die Voraussetzungen seiner Vaterschaftsfeststellung erfüllt sind, die Erlangung der Vaterstellung grundsätzlich nicht dadurch versperrt wird, dass ein anderer Mann während des laufenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Vaterschaft anerkennt. Das gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens durch den leiblichen Vater noch keine sozial-familiäre Beziehung des anderen Mannes zu dem Kind bestand und der leibliche Vater selbst bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind aufgebaut hat.
Auch wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung besteht, rechtfertigt dies den endgültigen Ausschluss des leiblichen Vaters vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung nicht ohne Weiteres, wenn der leibliche Vater alles getan hat, diese zu erlangen, als ihm die rechtliche Vaterschaft offen stand.
Urteil des BVerfG vom 25.09.2018
Aktenzeichen: 1 BvR 2814/17
FamRZ 2019, 124