Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der sogenannte Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende den Unfall entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand, durch zu hohe Geschwindigkeit oder/und durch allgemeine Unaufmerksamkeit schuldhaft verursacht hat. Die Anwendung dieser Beweisregeln setzt jedoch voraus, dass ein typischer Geschehensablauf feststeht.
Dies verneinte der Bundesgerichtshof bei einem Auffahrunfall, der sich auf einer lang gezogenen Autobahnausfahrt ereignete, nachdem ein Fahrzeug ein anderes kurz vorher überholt hatte und dann direkt vor dem Überholten in dessen Spur eingeschert war. Der genaue Unfallhergang war letztlich nicht mehr aufzuklären. Steht lediglich fest, dass sich ein Auffahrunfall in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit einem Überholvorgang kurz vor der Ausfahrt einer Autobahn ereignet hat, an der beide Verkehrsteilnehmer die Autobahn verlassen haben, liegt keine Verkehrssituation vor, die für ein alleiniges Verschulden des Auffahrenden spricht. Im Ergebnis mussten beide Beteiligten jeweils die Hälfte ihres Schadens selbst tragen.
Urteil des BGH vom 30.11.2010
Aktenzeichen: VI ZR 15/10
VersR 2011, 234
MDR 2011, 157