Gewährt ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern über Jahre hinweg Sonderleistungen, kann hieraus eine betriebliche Übung entstehen, die ihn auch in den Folgejahren zu entsprechenden Leistungen verpflichtet. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige, mindestens dreijährige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Der Arbeitgeber kann sich der Entstehung einer betrieblichen Übung und damit eines Rechtsanspruchs seiner Mitarbeiter nur durch einen Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt entziehen.
Ist ein derartiger Anspruch einmal entstanden, kann ihn der Arbeitgeber auch nicht einseitig durch einen ab sofort geltenden Freiwilligkeitsvorbehalt wieder beseitigen. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, dass das an einen Mitarbeiter 38 Jahre lang in unterschiedlicher Höhe bezahlte Weihnachtsgeld nicht dadurch gestrichen werden kann, dass in den letzten drei aufeinander folgenden Jahren bei der Auszahlung auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen wurde. Der Mitarbeiter verzichtet auch nicht dadurch auf seinen Rechtsanspruch, dass er die vom Arbeitgeber vorformulierte Erklärung zur Freiwilligkeit unterschrieben hat. Die Unterschrift bedeutet in der Regel nur, dass der Arbeitnehmer von der Erklärung Kenntnis genommen hat, nicht jedoch, dass er damit einverstanden ist. Etwas anderes kann gelten, wenn die Unterschrift ausdrücklich mit einem Zusatz wie „einverstanden“ versehen ist.
Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.04.2011
Aktenzeichen: 5 Sa 604/10
Wirtschaftswoche Heft 44/2011, Seite 137