Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das im Übrigen Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über den nicht geregelten Punkt geschlossen worden wäre. Diesen von Juristen als versteckten Einigungsmangel (Dissens) bezeichneten Fall regelt § 155 BGB.
Gerade bei Bauverträgen, bei denen Unklarheiten und Widersprüche nahezu an der Tagesordnung sind, ist nur als letzte Option von einem Einigungsmangel auszugehen, wie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt. Um einen hinreichend bestimmten Leistungsinhalt zu ermitteln, ist der Vertrag unter Hinzuziehung sämtlicher Unterlagen auszulegen. Erst wenn sich danach keine eindeutige Vereinbarung feststellen lässt, kann von einem Dissens ausgegangen werden. Gleichwohl – also ohne vertragliche Grundlage – erbrachte Bauleistungen sind dann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung mit den üblichen Sätzen zu vergüten.
Beschluss des BGH vom 23.05.2012
Aktenzeichen: VII ZR 113/11
IBR 2012, 439