In einem Großbetrieb verfügten sämtliche Mitarbeiter über eine elektronische Chipkarte mit Lichtbild, die ihnen den Zutritt zum Betriebsgelände ermöglichte und über eine betriebsinterne Bezahlfunktion verfügte. Die Beschäftigten konnten an speziellen Aufwertungsgeräten die Chips mit einem Guthaben bis zu 200 Euro durch Bezahlung mit Geldscheinen aufladen und damit in der Kantine und an diversen Warenautomaten bezahlen. Eine vom Arbeitgeber zunächst unentdeckte Fehlfunktion eines Automaten ermöglichte es, die Chipkarten ohne entsprechende Geldzahlung aufzuladen, was von einer Reihe von Arbeitnehmern ausgenutzt wurde. Mit Zustimmung des Betriebsrats wurden die elektronisch gespeicherten Daten ausgewertet und die unberechtigten Aufladevorgänge den einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet. Unter anderem konnte so einem Facharbeiter eine unberechtigte Guthabenentnahme von 120 Euro nachgewiesen werden, was den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zur Folge hatte.
Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters hatte vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Der Gekündigte verschaffte sich – so die Urteilsbegründung – durch die Aufbuchung des Guthabens auf seine Chipkarte einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil, denn mit dem Guthaben aus den unberechtigten Aufladungen erwarb er in der Folgezeit Waren, ohne dafür den Kaufpreis mit eigenem Geld bezahlen zu müssen. Die Begehung derartiger, in der Regel mit einem Vertrauensbruch verbundener Vermögensdelikte stellt in der Regel einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung dar. Eine umfassende Interessenabwägung führte hier zu dem Ergebnis, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Urteil des Sächsischen LAG vom 29.01.2015
Aktenzeichen: 1 Sa 407/14
Wirtschaftswoche Heft 17/2015, Seite 93