Die (Mit-)Haftung von Kindern bis zum Alter von 10 Jahren ist nach der Neuregelung des Haftungsrechts zum 1. Juli 2002 bei Verkehrsunfällen grundsätzlich ausgeschlossen (§ 828 BGB). Dieses Haftungsprivileg greift jedoch nicht ein, wenn der Schaden im sogenannten stehenden Verkehr eingetreten ist (z.B. Zerkratzen eines parkenden Autos). Dann – so die Argumentation – habe sich die besondere Gefahr des motorisierten Verkehrs nicht verwirklicht, was die Anwendung des Haftungsprivilegs zugunsten des Kindes nicht rechtfertige.
Der Bundesgerichtshof weicht nun von der Regel ab, wonach Kinder bei Schäden im stehenden Verkehr stets haften. Denn auch in diesen Fällen kann sich die besondere Gefahr des motorisierten Verkehrs durchaus realisieren. Bei der Klärung der Haftungsfrage reicht es danach zunächst aus, wenn die Eltern vortragen, dass das Kind zum Unfallzeitpunkt noch keine 10 Jahre alt war. Sodann muss der Geschädigte nachweisen, dass sich nach den Umständen des Falles die typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs bei dem Unfall nicht realisiert hat. Im konkreten Fall gelang dieser Nachweis nicht, da nicht geklärt werden konnte, ob das beschädigte Fahrzeug nicht (rechtswidrig) in den Gehweg hineinragte, wo es von dem Rad fahrenden Kind beschädigt wurde. Der Autofahrer blieb schließlich auf seinem Schaden sitzen.
Urteil des BGH vom 30.06.2009
Aktenzeichen: VI ZR 310/08
VersR 2009, 1136