Das Freilassen von Lücken in stehenden Fahrzeugkolonnen, um einen wartepflichtigen kreuzenden Verkehrsteilnehmer durchfahren zu lassen, ist einerseits sehr zuvorkommend, beschwört aber andererseits immer wieder gefährliche Verkehrssituationen herauf. Der durch die Lücke Fahrende darf sich jedenfalls nicht darauf verlassen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer gleichermaßen rücksichtsvoll verhalten. Kommt es dann zu einem Unfall, ist die Haftungsverteilung zwischen den Beteiligten oft nicht leicht zu entscheiden.
Fährt ein Pkw-Fahrer durch eine vor einer Ampel wartende Fahrzeugkolonne aus einer untergeordneten Straße heraus und kollidiert er dabei mit einem Motorradfahrer, der ohne dass hierfür eine weitere Fahrtrichtungsspur zur Verfügung steht, die Kolonne überholt, haftet der wartepflichtige Autofahrer in Höhe von zwei Dritteln und der Motorradfahrer wegen Verstoßes gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot in Höhe von einem Drittel für den entstandenen Schaden.
Urteil des LG Tübingen vom 10.12.2013
Aktenzeichen: 5 O 80/13
jurisPR-VerkR 4/2014 Anm. 2