Ein Arbeitgeber sagte jedem Mitarbeiter zum 40. Dienstjubiläum die Übernahme von Bewirtungskosten von bis zu 250 Euro für eine betriebliche Feier zu. Obwohl eine Jubilarin nur 90 Euro brauchte, rechnete sie ihrem Arbeitgeber gegenüber den vollen Betrag als Spesen ab. Als die Sache aufflog, erklärte der Arbeitgeber die fristlose Kündigung. Grundsätzlich stellen auch kleine Diebstähle und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers einen Kündigungsgrund dar. Eine Reihe jüngerer Entscheidungen zeigt jedoch, dass die stets vorzunehmende Interessenabwägung in solchen Fällen nicht immer zulasten des Arbeitnehmers ausgehen muss.
So hielt auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Kündigung in diesem Fall für überzogen. Die Interessenabwägung ergab hier, dass der langjährigen beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und dem damit angesammelten Vertrauenskapital ein sehr hoher Wert zukommt, sodass auch eine erhebliche Pflichtverletzung – wie sie hier durchaus vorlag – jedenfalls im „Erstfall“ nicht ohne weiteres zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen muss. Hinzu kam, dass die Zugabfertigerin im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht mit Geldangelegenheiten betraut war. Im Ergebnis hätte der Arbeitgeber in diesem Fall zunächst das weniger einschneidende Mittel der Abmahnung wählen müssen. Die Entlassung ohne vorherige Abmahnung war daher unwirksam.
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.09.2010
Aktenzeichen: 2 Sa 509/10
NZA-RR 2010, 633