Für das Überqueren einer durch Rotlicht gesperrten Kreuzung kann ein Vorrang eines Einsatzfahrzeuges (Polizei, Notarzt, Feuerwehr) durch rechtzeitiges Einschalten von Blaulicht und Martinshorn geschaffen werden. Für die Frage, ob das Einschalten der Signale rechtzeitig erfolgte, ist im Falle des Überquerens einer durch Rotlicht gesperrten Kreuzung weniger die Entfernung von der Haltelinie als vielmehr die Zeit zwischen dem Einschalten beider Signale und dem Überfahren der Haltelinie maßgeblich. Wie lange diese Zeit zu bemessen ist, hängt von den Umständen der jeweiligen Situation ab.
Will der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges für den gesamten Bereich einer ampelgeregelten Kreuzung Wegerecht in Anspruch nehmen, so muss er blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn nicht nur rechtzeitig einschalten, sondern auch so lange eingeschaltet lassen, bis er den Kreuzungsbereich vollständig verlassen hat. Schaltet der Sonderrechtsfahrer bei Einfahrt in eine für ihn durch Rotlicht gesperrte Kreuzung das Signalhorn erst in einem räumlichen Abstand von etwa 13,5 Metern und einem zeitlichen Abstand von 4,9 Sekunden vor der Kollision für lediglich eine Tonfolge von ca. 3 Sekunden Dauer dem Blaulicht zu, geschieht dies nicht so rechtzeitig, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer dem Gebot, „sofort freie Bahn zu schaffen“, hätten nachkommen können. Je mehr der Sonderrechtsfahrer von den Verkehrsregeln abweicht, umso mehr muss er Warnzeichen geben und sich vergewissern, dass der Verkehr sie befolgt.
Hat der Fahrer des Einsatzfahrzeuges demnach die anderen Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig und nicht lange genug durch Einschalten der Warnsignale gewarnt und kommt es im Kreuzungsbereich zu einem Unfall, muss der Halter des Rettungswagens beweisen, dass der Unfallgegner das mit Blaulicht fahrende Einsatzfahrzeug so rechtzeitig hätte wahrnehmen können, dass eine unfallverhütende Reaktion noch möglich gewesen wäre. Gelingt dieser Nachweis nicht, haftet der Halter (hier das zuständige Land) alleine für den Unfallschaden.
Urteil des KG Berlin vom 31.05.2007
Aktenzeichen: 12 U 129/06
KGR Berlin 2008, 93