Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar. Dies kann dann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist. Ein Strafantrag ist jedoch nur dann schuldhaft und damit dem Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn für diesen die Haltlosigkeit des Vorwurfs erkennbar war.
Im konkreten Fall hatte eine bei einer Fachholschule des Bundes beschäftigte Juristin zwar keine falschen Angaben gemacht. Sie hätte angesichts ihrer Rechtskenntnisse aber erkennen können, dass – wie von ihr behauptet – kein vorsätzlicher Verstoß gegen gesetzliche Datenschutzbestimmungen des Arbeitgebers vorlag, da die Annahme einer Schädigungsabsicht abwegig war. Da der Strafantrag eine gänzlich unangemessene Reaktion darstellte, war eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten, obwohl es an einer vorausgegangenen Abmahnung zu einer vergleichbaren Pflichtverletzung fehlte. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte im Ergebnis die gegen die Juristin ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Urteil des BAG vom 15.12.2016
Aktenzeichen: 2 AZR 42/16
BB 2017, 1139