Bei sogenannten Tendenzbetrieben (z.B. kirchliche Einrichtungen) spielt das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers eine erheblich größere Rolle. Was ansonsten den Arbeitgeber nichts angeht, kann hier sogar zu einer außerordentlichen Kündigung führen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schränkt nun das Kündigungsrecht kirchlicher Arbeitgeber wegen privaten „Fehlverhaltens“ ihrer Mitarbeiter nicht unerheblich ein. Auch wer aus Sicht der Kirche sündigt, darf vom kirchlichen Arbeitgeber nicht mehr ohne weiteres entlassen werden. So erklärte das Gericht die Kündigung eines Chorleiters durch eine katholische Einrichtung für unwirksam. Der Umstand, dass sich der Mann vor Jahren von seiner Frau getrennt hatte und seine neue Lebenspartnerin nun ein Kind von ihm erwartete, machte die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber nicht unmöglich, ohne dass er hierbei jede Glaubwürdigkeit verlor.
Strengere Maßstäbe setzte der EGMR jedoch in einem ähnlich gelagerten Fall eines Pressemitarbeiters der deutschen Mormonenkirche an. Dem als Mormone aufgewachsenen Mann hätte klar sein müssen, welche Bedeutung die eheliche Treue für seinen Arbeitgeber hat. Bei den Mormonen gilt Ehebruch als „gräulichste aller Sünden“. Unter diesen Umständen war die Kündigung wegen Ehebruchs rechtlich nicht zu beanstanden.
Urteile des EGMR vom 23.09.2010
Beschwerde-Nr. 425/03 und 1620/03
EzA-SD 2010, Nr 20, 3-5