Nach § 2325 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter als Ergänzung seines Pflichtteilsanspruchs die Hinzurechnung des Wertes einer Schenkung verlangen, die der Erblasser innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Zeitpunkt des Erbfalls einem Dritten gemacht hat. Der Bundesgerichtshof hat nun die seit Schaffung des BGB umstrittene Rechtsfrage neu beurteilt, auf Grundlage welchen Werts ein Pflichtteilsberechtigter eine Ergänzung seines Anspruchs verlangen kann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten das Bezugsrecht an einer von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung einem Dritten schenkweise zugewendet hat. Bislang wurde bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs die Summe der eingezahlten Versicherungsbeiträge zugrunde gelegt. Dies war für den Pflichtteilsberechtigten wirtschaftlich äußerst unbefriedigend, da schon der Rückkaufswert der Lebensversicherung zu Lebzeiten des Erblassers deutlich höher war.
Die Karlsruher Richter haben diese Rechtsprechung nun aufgegeben und entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien hätte erzielen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Dabei ist der objektive Marktwert aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrags festzustellen. Die schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblassers aufgrund fortschreitender Altersschwäche oder Krankheit darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen über den tatsächlichen Todeszeitpunkt des Erblassers.
Urteil des BGH vom 28.04.2010
Aktenzeichen: IV ZR 73/08
Erbrecht effektiv 2010, 91
GWR 2010, 281