Wenn eine vom Gericht oder einer Behörde gesetzte Frist oder ein Termin versäumt wird, kann die Wirkung der Versäumnis auf Antrag durch die sogenannte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass den Betroffenen bei der Versäumnis der Frist kein Verschulden trifft.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sah sich mit einer recht außergewöhnlichen Begründung eines derartigen Wiedereinsetzungsantrags konfrontiert. Eine Frau hatte es versäumt, gegen einen ablehnenden Kindergeldbescheid Widerspruch einzulegen. Als Grund führte sie aus, sie leide beim Anblick amtlicher Schreiben regelmäßig an Angstzuständen. Daher lasse sie ihr zugehende Post wochen- und sogar monatelang im Briefkasten liegen. Sie behauptete, sie habe sich wegen dieses „Leidens“ seit langem in psychologische Behandlung begeben wollen, was sie jedoch aus Scham bisher unterlassen habe.
Das Gericht sah in der angeblichen Krankheit keine hinreichende Entschuldigung für die Fristversäumnis. Eine Krankheit ist nur dann ein entschuldbares Hindernis, wenn es sich um eine schwere und plötzliche Erkrankung handelt, sodass der Kranke auf Dauer gehindert ist, seine behördlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen und auch nicht in der Lage ist, sich einen Vertreter oder zumindest eine Unterstützung zu bestellen. Da die Frau nach ihrer eigenen Aussage angeblich bereits seit längerer Zeit an der „Phobie gegen amtliche Schreiben“ leidet, hätte sie längst für eine geeignete Unterstützung oder Vertretung sorgen können. Hierfür wäre insbesondere die im Haushalt lebende Tochter geeignet gewesen, die im selben Jahr das Abitur gemacht und das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Das Gericht lehnte den Antrag schließlich mit der Folge ab, dass der Bescheid rechtskräftig geworden war.
Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 23.04.2008
Aktenzeichen: 1 K 2525/07
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