Äußert ein als Junge geborenes Kind den ausgeprägten Wunsch nach einem Geschlechterrollenwechsel hin zu einem Mädchen (Geschlechtsdysphorie), kann es das Kindeswohl erfordern, das bis dahin bestehende gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben und es einem Elternteil zu übertragen, wenn sich die Eltern bei der Problemlösung nicht einigen können.
Bei der Entscheidung hat das Gericht jedoch fachärztlichen Rat einzuholen. Für eine Sorgerechtsübertragung auf den Elternteil, der dem Geschlechterrollenwechsel entgegenwirken will, kann sprechen, dass es bei einer Vielzahl von Kindern im Jugendalter mit Beginn oder Verlauf der Pubertät zu einem klinisch relevanten Rückgang des Geschlechtsdysphorieerlebens kommt.
Hinweis: Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ging eine Entscheidung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19.06.2017 (AZ: 8 UF 59/17) voraus, das dem Vater das alleinige Sorgerecht übertrug.
Beschluss des BVerfG vom 07.12.2017
Aktenzeichen: 1 BvR 1914/17
FamRZ 2018, 266