Nach § 10 StVO hat sich ein Kraftfahrer, der aus einem Grundstück, einem Fußgängerbereich, einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen bzw. über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Gerichte stellen beim Einbiegevorgang hohe Anforderungen an einen sogenannten Idealfahrer, der jegliche Sorgfaltspflichten beachtet.
So erwartet das Oberlandesgericht Rostock vom Führer eines landwirtschaftlichen Gespanns, der von einem Grundstück auf eine öffentliche Straße einbiegt, in die er ca. 90 m weit einsehen kann, dass er sich eines sog. Einweisers bedient. Einem „Idealfahrer“ muss in einer solchen Verkehrssituation bewusst sein, dass sich auf der vorfahrtsberechtigten Kreisstraße Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit nähern können, denen er mit Sicherheit die Vorfahrt nehmen würde. Kollidiert das landwirtschaftliche Fahrzeug mit einem Pkw, dessen Fahrer mit 85 km/h die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwar nicht überschritten hat, dem jedoch ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot angelastet werden kann, trifft beide Fahrer ein hälftiges Mitverschulden an dem Unfall.
Urteil des OLG Rostock vom 10.12.2010
Aktenzeichen: 5 U 27/10
Pressemitteilung des OLG Rostock