Bei sogenannten Tendenzbetrieben (z.B. kirchliche Einrichtungen) spielt das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers eine erheblich größere Rolle. Was ansonsten den Arbeitgeber nichts angeht, kann hier sogar zu einer (außerordentlichen) Kündigung führen. Dabei ist jedoch stets eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einem loyalen Verhalten seiner Arbeitnehmer und den berechtigten Belangen des Mitarbeiters unter Berücksichtigung der Schwere seines zumindest aus der Sicht des Arbeitnehmers vorliegenden Fehlverhaltens vorzunehmen.
Für das Bundesarbeitsgericht rechtfertigt die Wiederverheiratung eines katholischen Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus nicht in jedem Fall seine ordentliche Kündigung. Zwar haben Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen das verfassungsmäßige Recht, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. Als Loyalitätsverstoß kommt auch der Abschluss einer nach katholischem Verständnis ungültigen Ehe in Betracht. Eine Kündigung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Loyalitätsverstoß auch bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile im Einzelfall ein hinreichend schweres Gewicht hat. Im Ergebnis hielten die Bundesrichter die Kündigung für sozial ungerechtfertigt.
Urteil des BAG vom 08.09.2011
Aktenzeichen: 2 AZR 543/10
Wirtschaftswoche Heft 38/2011, Seite 115