Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu überlassen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.
Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche nach § 1687 Abs. 1 BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fällt, bei dem sich das Kind aufhält, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei einer Impfung handelt es sich nicht um eine Alltagsentscheidung, die häufig vorkommt. Sie fällt im Rahmen des täglichen Lebens regelmäßig nur ein paar Mal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.
Der Bundesgerichtshof hat in dem entschiedenen Fall den Vater, der die Schutzimpfungen (hier gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) befürwortete, als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der Impfungen des Kindes zu entscheiden, da sich dieser mit seiner Haltung an den Empfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission) orientiert hatte. Die Impfempfehlungen der STIKO sind als medizinischer Standard anerkannt worden. Da bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlagen, konnte auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden.
Beschluss des BGH vom 03.05.2017
Aktenzeichen: XII ZB 157/16
FamRZ 2017, 1057