Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag stets dann anfechten oder kündigen, wenn der Arbeitnehmer vor der Einstellung eine zulässige Frage des Arbeitgebers wahrheitswidrig beantwortet hat. Der Arbeitgeber darf jedoch nur solche Fragen stellen, an deren Beantwortung ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse besteht. Fehlt es hieran, ist die wahrheitswidrige Beantwortung nicht rechtswidrig und damit für den Arbeitnehmer unschädlich. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage nach einer Schwerbehinderung des Arbeitnehmers unzulässig und muss daher nicht (wahrheitsgemäß) beantwortet werden.
Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist jedoch im Rahmen eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses jedenfalls nach sechs Monaten, d.h. ggf. nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen. Verneint ein Schwerbehinderter die Frage dann wahrheitswidrig, ist die Schwerbehinderteneigenschaft bei einer späteren Sozialauswahl im Rahmen einer vom Arbeitgeber bzw. vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht mehr zugunsten des Schwerbehinderten zu berücksichtigen. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer Kündigung stellt auch keine unzulässige Diskriminierung des Arbeitnehmers wegen seiner Behinderung dar.
Urteil des BAG vom 16.02.2012
Aktenzeichen: 6 AZR 553/10
DB 2012, 1042
NZA 2012, 555